
Ein Hund lernt wieder laufen
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POLYRADIKULITIS
Ich möchte euch heute die Geschichte von Troll, unserem 11 jährigen Aussierüden erzählen.
Er erkrankte Anfang Januar an Polyradikulitis, einer recht unbekannten Nervenerkrankung und auch bei Troll wurde die Krankheit von unsren Tierärzten nicht erkannt.
Wir, mein Mann und ich, erhoffen uns, dass ganz viele Menschen dies hier lesen und vielleicht dem ein oder anderen Hund damit die (unnötige) Euthanasie erspart bleibt.
Vielleicht können wir auch den Hundebesitzern mit Infos weiterhelfen, wir selbst waren froh um jede Information, die wir am Anfang zu dieser Krankheit finden konnten....
Bei Troll begann alles am 5. Januar. Er konnte auf einmal nur noch schwer aufstehen. Im Laufe des Tages kam er dann gar nicht mehr alleine auf die Beine und wir fuhren zu Tierarzt.
Dieser konnte nichts finden und tippte auf ein Kreislaufgeschehen. Troll konnte da auch wieder aufstehen und wir fuhren erleichtert nach Hause. Es wurde aber im Laufe des Tages nicht besser, also gingen wir wieder zu unserer Tierärztin.
Diese schickte uns dann in die Tierklinik, da sie zwar neurologische Symptome erkannte, aber auch nicht weiter wusste.
In der Klinik wurde Troll dann ausführlich untersucht, dort konnte er schon nur noch ganz schlecht laufen und seine Reflexe warten deutlich vermindert.
Genau wusste dort auch niemand was er hatte trotz ausführlicher Untersuchungen. Der Oberarzt tippte auf ein Vestibulärsyndrom (Erkrankung des Gleichgewichtsorgans im Ohr). Darauf behandelten wir dann und vorsorglich bekam Troll auch Antibiotika, falls es sich um eine Meningitis handeln sollte.
Leider wurde Trolls Zustand am nächsten Tag nicht besser, sondern schlechter, so dass wir wieder in die Klinik fuhren.
Dort war die Ärztin ratlos über seinen schlechten Zustand und verabreichte Troll als letzten Versuch eine hohe Dosis Cortison. Wenn das nichts helfen sollte, machte sie uns keine großen Hoffnungen. Troll war da schon nicht mehr alleine stehfähig.
Wir fuhren nach der Behandlung nach Hause und nachdem Troll sich nicht verbesserte, machten wir für den nächsten Tag einen Termin zur Einschläferung.
Zum Glück kam es nicht dazu, denn ich fand im Internet Fachartikel über die Polyradikulitis und die Symptome passten so gut zu Troll, dass ich mir sicher war, dass er das hatte.
Obwohl die Tierärzte nicht an die Diagnose glaubten, beschlossen wir, es zu versuchen.
Troll konnte inzwischen seine Beine gar nicht mehr bewegen, er war aber vom Kopf her voll da, freute sich wenn jemand kam, konnte mit dem Schwanz wedeln, fraß mit Appetit und wirkte nicht wie ein Hund, der aufgegeben hatte.
Wir lagerten ihn auf einer alten Matratze neben meinem Bett, und mussten ihn regelmäßig auf die andere Seite drehen, damit er sich nicht wund lag.
Das größte Problem war anfangs das Urinieren und das Koten. Troll war die ganze Zeit kontinent, das heisst er konnte seine Blase und seinen Darm kontrollieren. Aber die wohl ungewohnte Situation führte dazu, dass er einfach nichts machte, er machte nichts im Liegen und auch nicht wenn wir ihn hielten.
Deshalb musste ich ihn anfangs mit Einläufen abführen und so manche Nacht verbrachten wir damit, ihn in den Garten zu tragen und versuchten ihn dazu zu bringen, endlich seine Blase zu entleeren.
Mit der Zeit spielte sich das aber ein und Troll verrichtete seine Geschäfte liegend im Garten.
Jeden Tag wurde Troll von uns durchbewegt, damit seine Gelenke nicht versteiften.
Wir waren bei der Tierphysiotherapeutin und haben uns verschiedene Übungen zeigen lassen.
Schon nach einigen Tagen merkte man deutlich, dass Trolls Muskeln an Hüfte und Schultern sich zurückbildeten, bald fühlte man dort nur noch Knochen.
Die nächsten 6 Wochen änderte sich Trolls Zustand nicht, zum Glück wussten wir inzwischen, dass das normal war und es Zeit brauchte, bis sich die Nerven wieder erholten.
Ich hatte Kontakt mit einer netten Dame aufgenommen, deren Hund auch an Polyradikulitis erkrankt war und sie konnte mir sehr weiterhelfen.
Auch ihr Hund hatte wieder das Laufen gelernt.
Wir glaubten die ganze Zeit daran, dass Troll wieder gesund wird und ich glaube auch Troll hat das gespürt, denn er schien in der ganzen Zeit nie aufgegeben zu haben.
Auch wenn es schwer zu glauben scheint, dass ein Hund, der seine Beine nicht mehr bewegen kann, immer noch Lebensmut und Freude zeigt, so war es bei Troll doch so.
Wir machten kleine Tricks im Liegen, er musste Dinge mit der Nase anstupsen und bekam dafür sein Leckerli.
Nach ca. 6 Wochen wurden Trolls Reflexe wieder besser, er bewegte die Füsse und konnte sich wieder besser in Brustlage bringen.
Jetzt begannen wir auch mit Physiotherapie und schwimmen.
Bei den ersten Terminen waren es kleinste Bewegungen im Wasser, über die wir uns freuten, aber jede Woche wurde es mehr.
Ende März ist Troll dann das erste mal wieder alleine gestanden und am zweiten April hat er seine ersten Schritte alleine gemacht.
Von da an konnte man jeden Tag zusehen, wie er Fortschritte machte. Er legte an Muskeln zu und lief jeden Tag sicherer und mehr.
Troll ist inzwischen soweit, dass er alleine aufstehen kann, er geht wieder auf kurze Spaziergänge mit und rennt auch wieder.
Er ist auf dem besten Wege, wieder ganz der Alte zu werden.
Ich hoffe sehr, wir können mit unserer Geschichte anderen Menschen Mut machen, die vielleicht eine ähnliche Situation erleben.
Viele Tierärzte sind tatsächlich überfordert, da diese Erkrankung so unbekannt ist.
Dabei kommt sie tatsächlich gar nicht so selten vor.
Nur leider werden Hunde, die plötzlich nicht mehr gehen können, oft mangels Aussicht auf Besserung,zu früh eingeschläfert.
Dabei sind die Prognosen bei der Polyradikulitis ausgesprochen gut, wenn man die nötige Geduld mitbringt.
Die Zeit mit Troll war nicht leicht aber es hat sich gelohnt!
Sicherlich hatten wir auch Glück, Troll ist ein Aussie mit 20 Kilo, ihn konnten wir gut tragen, hinstellen und Gehübungen machen.
Bei einem großen Hund mit mehr Kilos wird das sicherlich alles ein ganzes Stück schwieriger, vielleicht sogar gar nicht leistbar.
Die Polyradikulitis ist eine Autoimunerkrankung der Nerven, eine Ursache ist nicht wirklich bekannt. Erkrankte Hunde zeigen anfangs eine Schwäche der Hinterhand, sie laufen nicht so gerne, stehen vielleicht schlecht auf. Innerhalb weniger Tage verschlechtert sich das Bild so, dass die Hunde nicht mehr alleine stehen oder gehen können. Es kommt zu einer vollständigen Lähmung aller vier Gliedmassen infolge der Nervenerkrankung.
Die Hunde befinden sich dann in Seitenlage, manchmal schaffen sie auch noch die Brustlage.
Die Beine können sie nicht mehr bewegen, Reflexe sind entweder ganz weg oder sehr herabgesetzt.
Viele Hunde zeigen Berührungsschmerz in den Pfoten (Troll hatte das nicht), ansonsten sind sie aber schmerzfrei.
Das „Gute“ an der Polyradikulitis ist, dass die Prognosen ausgesprochen gut sind. Die Nerven brauchen ca. 6 Wochen, um sich zu regenerieren, das tun sie aber fast immer. Wenn man diese Zeit durchsteht, beginnen die betroffenen Hunde wieder, laufen zu lernen.
Gerne können sie Kontakt mit uns aufnehmen, wenn sie sich in einer ähnlichen Situation befinden oder einfach Fragen haben.
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